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Ein Jahr nach Assad-Sturz: Syriens Übergangspräsident verkündet Neubeginn
Ein Jahr nach dem Sturz von Syriens Langzeitherrscher Baschar al-Assad hat Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa einen Neubeginn auf der Grundlage von "Gerechtigkeit" und "friedlicher Koexistenz" verkündet. Zugleich sicherte er am Montag in einer Rede in der Hauptstadt Damaskus eine "dauerhafte Abkehr von der Ära der Tyrannei" zu. Landesweit feierten zehntausende Menschen den Sturz Assads.
Al-Scharaa verkündete in seiner Rede "einen historischen Bruch" mit dem Erbe des Assad-Regimes und "eine dauerhafte Abkehr von der Ära des Despotismus und der Tyrannei, um einen strahlenden Neubeginn einzuläuten - einen Neubeginn, der auf Gerechtigkeit, Güte und friedlicher Koexistenz basiert". Menschenmassen brachen nach der Rede in zahlreichen Städten in Jubel aus, zündeten Feuerwerk und sangen Revolutionslieder, die über Lautsprecher übertragen wurden.
Al-Scharaa bekräftigte zugleich, dass alle, "die gegen das Gesetz verstoßen und Verbrechen am syrischen Volk begangen" hätten, zur Rechenschaft gezogen würden.
Die von al-Scharaa angeführte islamistische HTS-Miliz und mit ihr verbündete Gruppen hatten am 8. Dezember 2024 Damaskus erobert. Machthaber Assad, der Syrien jahrelang mit eiserner Hand regiert und in einen fast 14 Jahre dauernden Bürgerkrieg gestürzt hatte, floh daraufhin nach Russland. Übergangspräsident wurde der HTS-Anführer al-Scharaa, der sich seit seinem Amtsantritt im Januar um ein moderateres Image und internationale Anerkennung bemüht.
Al-Scharaa erreichte zwar eine Aufhebung von Sanktionen, steht aber noch vor anderen riesigen Herausforderungen: Viele Städte und Dörfer in Syrien sind immer noch schwer zerstört, auch der Wiederaufbau der Infrastruktur kommt nur schleppend voran. Das Land ist nach dem Bürgerkrieg weiterhin tief gespalten, die Sicherheitslage ist fragil. Al-Scharaas Regierung ist immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, Minderheiten wie Alawiten, Drusen oder Kurden nicht ausreichend zu schützen.
Im März waren bei Massakern in den vorwiegend von Alawiten bewohnten Regionen im Westen Syriens mehr als 1700 Menschen getötet worden. Im Juli gab es in der südlichen Provinz Suwaida zudem heftige Kämpfe zwischen der Minderheit der Drusen und sunnitischen Beduinen mit mehr als tausend Toten.
In Damaskus herrschte am Jahrestag von Assads Sturz trotzdem Feierstimmung. Tausende Menschen strömten nach Festtagsgebeten in den Moscheen der Altstadt auf die Straße und schwenkten syrische Flaggen. Al-Scharaa nahm an einem Morgengebet in der berühmten Umajjaden-Moschee teil. Anschließend nahm er eine Militärparade ab, wie syrische Staatsmedien berichteten.
Alle sollten ihre Anstrengungen bündeln, "um ein starkes Syrien aufzubauen, seine Stabilität zu sichern, seine Souveränität zu wahren und eine Zukunft zu gestalten, die den Opfern seines Volkes gerecht wird", sagte al-Scharaa nach dem Morgengebet.
"Was im Laufe des vergangenen Jahres passiert ist, scheint wie ein Wunder", sagte der Arzt Ijad Burghol und verwies auf die Rückkehr der syrischen Führung auf die internationale Bühne. Zwar fehlten nach Jahren des Kriegs und wirtschaftlicher Krise noch grundlegende Dinge wie eine stabile Stromversorgung, für ihn persönlich sei aber Frieden im Inneren am wichtigsten, betonte der 44-Jährige.
Auch in anderen Städten wie Aleppo feierten tausende Menschen. In kurdischen und alawitischen Gebieten gab es hingegen keine Jubelfeiern, aus Sicherheitsgründen waren zahlreiche Geschäfte geschlossen.
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, forderte die syrische Führung zum Jahrestag auf, eine Nation zu schaffen, in der alle Syrer "sicher, gleichberechtigt und in Würde leben können".
Der Bürgerkrieg in Syrien hatte 2011 mit friedlichen Protesten gegen Assad begonnen, die gewaltsam niedergeschlagen wurden. Bis zu Assads Sturz wurden mehr als eine halbe Million Menschen getötet und Millionen von Menschen vertrieben. Bislang sind laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen mehr als drei Millionen Syrer aus Nachbarländern oder innerhalb des Landes in ihre Heimat zurückgekehrt.
Zehntausende Menschen werden weiterhin vermisst, viele von ihnen verschwanden in den Gefängnissen Assads.
F.Dubois--AMWN