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Verbraucher im Nachteil: Gutachten sieht zuviel Macht bei Lebensmittelriesen
Die Lebensmittelpreise sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen, die Bauern profitieren davon kaum: Ein Grund ist laut der unabhängigen Monopolkommission die Marktmacht im Lebensmitteleinzelhandel und bei den Herstellern. Die Konzentration in der Branche habe in den vergangenen Jahren "erheblich" zugenommen - und gleichzeitig die Preisaufschläge auf Lebensmittel. Das sei "besorgniserregend", erklärte die Kommission am Freitag. Die Regierung müsse einschreiten.
Die Kommission untersuchte die Marktverhältnisse im Auftrag der Regierung und stellte nun ein Sondergutachten dazu vor. Rund 85 Prozent des Lebensmitteleinzelhandels werden demnach von vier großen Unternehmensgruppen kontrolliert: Edeka, Rewe, Lidl und Aldi.
Die durchschnittlichen Gewinnmargen von Einzelhändlern und Herstellern stiegen seit über zehn Jahren an – parallel zu den Konzentrationsprozessen auf beiden Ebenen, erklärte das Gremium. Im gleichen Zeitraum seien die Verbraucherpreise stärker gestiegen als in vielen anderen EU-Ländern. Seit 2020 betrug dieser Anstieg im Schnitt mehr als 35 Prozent, betonte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).
"Alles deutet auf eine geschwächte Wettbewerbssituation entlang der Lebensmittellieferketten in Deutschland und wir finden das problematisch", sagte der Kommissionsvorsitzende Tomaso Duso. Landwirtinnen und Landwirte insbesondere in der Milch- und Fleischwirtschaft hätten langfristig kaum profitiert.
Das Gremium empfiehlt der Regierung, die voranschreitende Konzentration im Einzelhandel zu stoppen und künftige Zusammenschlüsse verstärkt daraufhin zu prüfen, wie sie sich auf die gesamte Lieferkette auswirken. Der vzbv forderte mehr Transparenz bei den Lebensmittelpreisen: "Nur wenn die notwendigen Daten vorliegen, lassen sich unfaire Preiserhöhungen aufdecken", erklärte vzbv-Chefin Ramona Pop.
Die Bundesregierung müsse zeitnah eine "Ombudsperson für fairen Wettbewerb im Lebensmittelmarkt" einsetzen. Eine solche Ombudsperson haben Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vorgesehen.
"Akuten" Handlungsbedarf sieht die Monopolkommission auf Ebene der Lebensmittelhersteller. Bei manchen Lebensmitteln hätten einzelne Unternehmen in Deutschland bereits "starke Marktmacht" - dieser Konzentrationsprozess dürfe sich nicht fortsetzen.
Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter stimmte zu: Die "Übernahme- und Fusionswelle in der Molkereiindustrie schreitet wie auch in anderen Produktionssektoren rasch voran", erklärte der Vorsitzende Karsten Hansen. Vorständin Ursula Trede schilderte die Lage: "In vielen Fällen gibt es zwischen Erzeugern und Abnehmern gar keine Verhandlungen und wir Landwirte sind mehr oder weniger gezwungen, unsere Milch, Fleisch und Getreide 'anzudienen' und dann darauf zu warten, was uns die Abnehmer zugestehen."
Wettbewerbsexperte Duso forderte wirksamere Kontrollen gegen "Machtmissbrauch": Es gebe zwar schon Gesetze gegen unfaire Handelspraktiken - Landwirte schreckten jedoch oft vor Meldungen und Beschwerden zurück. "Daher brauchen wir eine konsequentere Durchsetzung bestehender Regeln." Hier sieht er die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung und das Bundeskartellamt in der Pflicht.
Die Branche wies die Vorwürfe zurück. Die in den letzten beiden Jahren gestiegenen Preise für Lebensmittel seien "die Folge von höheren Kosten für Energie, Personal und Wareneinkauf", erklärten Handelsverband Deutschland (HDE) und der Handelsverband Lebensmittel (BVLH). Gründe für höhere Einkaufspreise seien dabei in einigen Fällen schlechtere Ernten aufgrund des Klimawandels oder auch bewaffnete, weltpolitische Unsicherheiten, die für Störungen in den Lieferketten sorgen.
"Im harten Wettbewerb der Handelsunternehmen untereinander kann es sich kein Akteur leisten, seine Margen auf Kosten der Kundinnen und Kunden zu erhöhen", betonten die Verbände. "Der Wettbewerb um den Verbraucher ist im deutschen Lebensmittelhandel besonders intensiv, das Preis-Leistungs-Niveau für die Verbraucher ist europaweit einzigartig." Die Margen des Lebensmittelhandels seien mit ein bis drei Prozent gering.
Zur Lage der Landwirtschaft weise die Monopolkommission "völlig zu Recht" darauf hin, dass die schwierigen Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft "weitgehend nicht vom Handel beeinflusst" würden. Er pflege "grundsätzlich keine direkten Einkaufsbeziehungen mit Landwirten". Die maßgeblichen Einflüsse kämen vielmehr vom höchst volatilen Weltmarkt und als Folge staatlicher Subventionen. "Marktstarke" Schlachtereien und Molkereien spielten zudem eine zentrale Rolle.
O.Johnson--AMWN